Coronavirus
14. März 2020Verordnung vom Land Baden-Württemberg zu Corona
17. März 2020Amtliche Bekanntmachung des Landkreises Ravensburg
Das Landratsamt Ravensburg erlässt im Wege der Eilzuständigkeit nach § 16 Abs. 7 des Gesetzes zur Verhütung und
Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) im
Einvernehmen mit den Bürgermeisterämtern der Städte und Gemeinden des Landkreises
Ravensburg
für die Städte und Gemeinden Achberg, Aichstetten, Aitrach, Altshausen, Amtzell, Argenbühl,
Aulendorf, Bad Waldsee, Bad Wurzach, Baienfurt, Baindt, Berg, Bergatreute, Bodnegg, Boms,
Ebenweiler, Ebersbach-Musbach, Eichstegen, Fleischwangen, Fronreute, Grünkraut,
Guggenhausen, Horgenzell, Hoßkirch, Isny im Allgäu, Kißlegg, Königseggwald, Leutkirch im
Allgäu, Ravensburg, Riedhausen, Schlier, Unterwaldhausen, Vogt, Waldburg, Wangen im Allgäu,
Weingarten, Wilhelmsdorf, Wolfegg und Wolpertswende
folgende
ALLGEMEINVERFÜGUNG
über das Verbot und die Einschränkung von Veranstaltungen
zur Eindämmung der durch SARS-CoV-2 (neuartiges Corona-Virus 2019)
verursachten Atemwegserkrankung
- Soziale Kontakte sind auf das Notwendige zu reduzieren.
- Es ist untersagt, öffentliche und nichtöffentliche Veranstaltungen mit einer
voraussichtlichen Teilnehmerzahl von mehr als 50 Personen durchzuführen. - Die für den Ort der Veranstaltung zuständige Ortspolizeibehörde (Bürgermeisteramt)
kann in besonders gelagerten Einzelfällen, wie zum Beispiel bei gesetzlich
vorgeschriebenen Veranstaltungen oder einer Veranstaltung im überwiegenden
öffentlichen Interesse, auf Antrag Ausnahmen vom Verbot nach Nummer 2 –
gegebenenfalls unter Auflagen –zulassen. - Geplante öffentliche oder nichtöffentliche Veranstaltungen mit einer voraussichtlichen
Teilnehmerzahl von 20 bis 50 Personen sind der für den Ort der Veranstaltung
zuständigen Ortspolizeibehörde (Bürgermeisteramt) mindestens 72 Stunden vor Beginn
in Textform anzuzeigen.
Mit der Anzeige ist die Notwendigkeit der Veranstaltung vom Veranstalter zu begründen.
Dabei hat er das Interesse an der Durchführung der Veranstaltung mit dem hiervon
ausgehenden Risiko der Übertragung von SARS-CoV-2 analog des Schemas des Robert-
Koch-Instituts „Allgemeine Prinzipien der Risikoeinschätzung und Handlungsempfehlung
für Großveranstaltungen“ (abrufbar im Internet unter
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html) abzuwägen.
Geplante Maßnahmen zur Verringerung des Übertragungsrisikos sind darzulegen. - Bei Veranstaltungen nach Nummer 4 hat der Veranstalter die anwesenden Personen in
einer Anwesenheitsliste mit zu erfassen, die mindestens die folgenden Angaben
enthalten muss: Vor- und Familienname, vollständige Anschrift und Telefonnummer.
Außerdem ist, soweit möglich, ein Überblicksfoto, wer neben wem sitzt, anzufertigen. Die
Anwesenheitsliste und das Foto sind vom Veranstalter für die Dauer von vier Wochen
nach Ende der Veranstaltung aufzubewahren und dem Gesundheitsamt auf Verlangen
vollständig auszuhändigen. - Diese Allgemeinverfügung gilt nicht für die Sitzungen von Gremien nach der
Gemeindeordnung sowie der Landkreisordnung, über deren Durchführung der bzw. die
jeweilige Vorsitzende des Gremiums entscheidet, sowie damit zusammenhängende
Vorbereitungstreffen. Sie gilt ferner nicht für behördliche Besprechungen. Für die
öffentlichen und privaten Schulen, Kindertageseinrichtungen und
Kindertagespflegeeinrichtungen gelten ausschließlich die Vorgaben des Ministeriums für
Kultus, Jugend und Sport. - Diese Allgemeinverfügung gilt ab dem auf die Bekanntmachung folgenden Tag und bis
zum Tag des Inkrafttretens einer Verordnung der Landesregierung mit Regelungen zum
Verbot von Veranstaltungen.
ZUWIDERHANDLUNGEN
Nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe
bestraft, wer einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG zuwiderhandelt. Die
Nummern 2, 4 und 5 dieser Allgemeinverfügung stellen mit ihrer Bekanntgabe eine solche
vollziehbare Anordnung dar.
Im Falle der Nichtbeachtung des Verbots nach Nummer 2 dieser Verfügung sowie im Falle der
Nichtbeachtung der Anzeigepflicht nach Nummer 4 und der Dokumentationspflicht nach Nummer
5 dieser Verfügung kann die zuständige Ortspolizeibehörde die Verfügung mit Mitteln des
Verwaltungszwangs nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz durchsetzen. Hierzu
kommen insbesondere die Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern sowie die
Anwendung des unmittelbaren Zwangs in Betracht.
WEITERE HINWEISE
Diese Anordnung stellt eine Maßnahme nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG dar und ist gemäß § 28
Abs. 3 in Verbindung mit § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage
haben daher keine aufschiebende Wirkung.
Die vorliegende Allgemeinverfügung wurde als Eilmaßnahme bei Gefahr im Verzug an Stelle der
zuständigen Ortspolizeibehörden erlassen. Wird diese Allgemeinverfügung nicht innerhalb von
zwei Arbeitstagen nach der Unterrichtung der zuständigen Ortspolizeibehörde von dieser
aufgehoben, so gilt sie als von der zuständigen Ortspolizeibehörde erlassen. Die
Ortspolizeibehörden können die vorliegende Allgemeinverfügung jederzeit nach § 16 Abs. 7 S. 3
IfSG ändern oder aufheben.
Von dieser Allgemeinverfügung nicht erfasst sind Versammlungen und Aufzüge im Sinne des
Artikels 8 des Grundgesetzes (Versammlungsfreiheit). Solche Versammlungen und Aufzüge sind
weiterhin auch unterhalb einer Teilnehmerzahl von 20 Personen nach § 14 des
Versammlungsgesetzes spätestens 48 Stunden vor Bekanntgabe der zuständigen Behörde
anzuzeigen.
Die zuständige Ortspolizeibehörde kann im Einzelfall nach § 16 Abs. 6 in Verbindung mit § 28
Abs. 1 Satz 2 IfSG auch Veranstaltungen unterhalb einer Teilnehmerzahl von 20 Personen
untersagen oder beschränken, wenn hiervon ein nicht mit den Schutzzielen des IfSG vereinbares
Infektionsrisiko ausgeht.
Auch von Veranstaltungen, die nicht nach dieser Allgemeinverfügung verboten sind oder einer
Anzeigepflicht nach dieser Allgemeinverfügung unterliegen, kann ein Infektionsrisiko ausgehen.
Das Landratsamt empfiehlt allgemein, möglichst auf Veranstaltungen zu verzichten oder diese
auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Weiter wird allgemein empfohlen, den Besuch von
Veranstaltungen zu überdenken.
SACHVERHALT UND BEGRÜNDUNG
Am 05. März 2020 wurde bei einer Person im Landkreis Ravensburg das neuartige Coronavirus
(SARS CoV 2), das zur Erkrankung COVID-19 führen kann, labordiagnostisch nachgewiesen.
Seitdem sind die Fallzahlen im Landkreis Ravensburg stark angestiegen (50 Fälle zum
15.03.2020). Die weltweite Ausbreitung von COVID-19 wurde am 11. März 2020 von der WHO
zu einer Pandemie erklärt.
Die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes verfolgen
das Ziel, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere
Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verzögern. Sie sollen durch
gesamtgesellschaftliche Anstrengungen wie die Reduzierung von sozialen Kontakten mit dem
Ziel der Vermeidung von Infektionen ergänzt werden. Dadurch soll die Zahl der gleichzeitig
Erkrankten so gering wie möglich gehalten und Zeit gewonnen werden, um weitere
Vorbereitungen zu treffen, wie Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Gruppen,
Behandlungskapazitäten in Kliniken zu erhöhen, Belastungsspitzen im Gesundheitssystem zu
vermeiden und die Entwicklung antiviraler Medikamente und von Impfstoffen zu ermöglichen.
Veranstaltungen können dazu beitragen, das Virus schneller zu verbreiten. Durch den
vorherrschenden Übertragungsweg von SARS-CoV-2 (Tröpfcheninfektion) z.B. durch Husten,
Niesen oder engen Kontakt von Angesicht zu Angesicht kann es durch teils mild erkrankte oder
auch asymptomatisch infizierte Personen zu Übertragungen von Mensch-zu-Mensch kommen.
Auch Übertragungen durch Schmierinfektionen sind beschrieben, betreffen allerdings nur einen
kleinen Teil der Fälle. Übertragungen kommen auch bei größeren Veranstaltungen vor. Bei
größeren Veranstaltungen kann es unter ungünstigen Bedingungen zu einer Übertragung auf
viele Personen kommen.
Anordnungen nach § 28 Abs. 1 IfSG stehen im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde.
Zu Nummer 1 und 2:
Diese Maßnahmen gründen auf § 16 Abs. 1 sowie § 28 Abs. 1 IfSG. Werden Tatsachen
festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder ist
anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, trifft die zuständige Behörde die notwendigen
Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren (§
16 Abs. 1 IfSG). Werden Ansteckungsverdächtige festgestellt, so trifft die zuständige Behörde
die notwendigen Schutzmaßnahmen (§ 28 Abs. 1 IfSG). Nach § 28 Abs.1 Satz 2 IfSG können
Veranstaltungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränkt oder verboten werden.
Durch das Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen sollen durch die damit
einhergehende Kontaktreduzierung die Infektionsketten verlangsamt und möglichst unterbrochen
werden. Damit soll sichergestellt werden, dass im Falle einer Infektion innerhalb des
Teilnehmerkreises nur eine möglichst geringe Anzahl an Menschen infiziert oder zu potentiellen
Kontaktpersonen einer infizierten Person wird.
Die Größenordnung von 50 Personen stellt dabei einen Personenkreis dar, innerhalb dessen im
Falle eines Ausbruchs epidemiologische Ermittlungen und ggf. sich anschließende
Schutzmaßnahmen gerade noch wirkungsvoll durchführbar sind. Bei darüber hinausgehender
Personenanzahl kann dies nicht mehr sichergestellt werden.
Das in Nummer 2 genannte Verbot ist geeignet, eine Verbreitung des Virus, das vorrangig durch
Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen wird, einzudämmen. Es ist auch erforderlich, da
mildere Mittel nicht zu einer Eindämmung geführt haben und andere, gleichsam wirksame
mildere Mittel nicht erkennbar sind.
Die getroffene Anordnung ist auch verhältnismäßig. Durch eine Infektion besteht insbesondere
bei einem vulnerablen Personenkreis, wie beispielsweise immungeschwächten, älteren oder
kranken Personen, die Teil einer solchen Veranstaltung sein können, das Risiko einer
Erkrankung und damit eines potentiell schweren Verlaufs. Ebenso können andere Teilnehmer
einer solchen Veranstaltung Vektoren für das Virus sein. Die körperliche Unversehrtheit
Einzelner ist somit ebenso gefährdet wie die öffentliche Gesundheit im Ganzen. Dem gegenüber
steht das eingeschränkte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Berufsfreiheit, die
durch die Verbotsverfügung eingeschränkt werden gegebenenfalls auch mit der Folge von
Umsatzausfällen. Diese nur zeitweise Einschränkung ist im Vergleich mit einer Erkrankung oder
einer drohenden massiven Beeinträchtigung der öffentlichen Gesundheit hinnehmbar. Dies gilt
umso mehr, als für begründete Fälle Ausnahmemöglichkeiten – ggf. unter Auflagen –möglich
sind (vgl. Nummer 3 dieser Verfügung). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die
Berufsfreiheit müssen daher zurückstehen.
Zu Nummer 3:
Das Verbot von Veranstaltungen stellt eine Einschränkung des öffentlichen und privaten
Lebensbereichs dar. Aus diesem Grund muss berücksichtigt werden, dass bestimmte
Veranstaltungen unter Beachtung von Auflagen durchgeführt werden können. Dies muss jedoch
im Einzelfall geprüft werden, um das zu Grunde liegende Risiko ermitteln und die nötigen
Auflagen bestimmen zu können.
Zu Nummer 4:
Diese Regelung trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung, in dem
Veranstaltungen mit einer Größe von 20 bis 50 Personen nicht grundsätzlich untersagt werden,
sondern einer Anzeige bedürfen. Bei Veranstaltungen mit 20 und mehr Personen besteht auf
Grund der Nähe vieler Personen zueinander ein erhöhtes Infektionsrisiko. Deshalb muss eine
Risikobewertung stattfinden, ob und ggf. welche Auflagen notwendig sind. Dies kann nur dann
wirkungsvoll gewährleistet werden, wenn die Veranstaltungen bei der zuständigen
Ortspolizeibehörde rechtzeitig angezeigt werden.
Die Forderung nach einer Risikoabwägung unterstützt dieses Ansinnen und soll Hilfestellung und
Leitlinie bei der Beurteilung der Veranstaltung bieten und eine fundierte Risikobewertung
ermöglichen, die sowohl dem Schutzziel der öffentlichen Gesundheit wie auch dem
Individualinteresse der Veranstaltungswilligen gerecht wird.
Zu Nummer 5:
Die Regelungen dienen dazu, um Kontaktketten nachvollziehen und schnell unterbrechen zu
können.
Zu Nummer 6:
Die Regelung trägt dem Erfordernis der Handlungsfähigkeit der Organe auf kommunaler Ebene
sowie der Behörden Rechnung. Im Bereich der öffentlichen und privaten Schulen,
Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegeeinrichtungen soll eine unübersichtliche
Regelungslage vermieden werden.
Die Verfügung wird durch das Landratsamt Ravensburg im Wege der Eilzuständigkeit nach § 16
Abs. 7 IfSG getroffen. Aufgrund der über dieses Wochenende sehr dynamisch steigenden
Fallzahlen im Landkreis ist ein unverzügliches Handeln geboten.
RECHTSBEHELFSBELEHRUNG
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch
bei der jeweils zuständigen Ortspolizeibehörde (Bürgermeisteramt) erhoben werden.
Ravensburg, den 15. März 2020
(Harald Sievers)
Landrat